Strom Spotmarkt erneuerbar

Spotmarktbeschaffung: Der Schlüssel zu günstiger Energie oder riskantes Spiel?

Um Ihre Kosten so gering wie möglich zu halten, ist eine zu Ihrem Unternehmen passende Beschaffungsstrategie unerlässlich.

Auf meinem Blog finden Sie verschiedene Beschaffungsmodelle einfach erklärt. Sämtliche Informationen über weitere Modelle wie Indexbeschaffung, Stichtagsbeschaffung, Portfoliomanagement und Tranchenbeschaffung finden Sie in den jeweils verlinkten Artikeln.

Die Strombeschaffung über dem Spotmarkt war bis vor ein paar Jahren hauptsächlich Unternehmen mit sehr großen Abnahmemengen vorbehalten. Mittlerweile wird eine Spotmarktbeschaffung einem breiten Spektrum an Kunden angeboten. Egal ob Privat-, Gewerbe- oder Industriekunden – die Spotmarktmodelle sind nun für jeden zu haben.

Innovation oder Illusion? Ein kritischer Blick auf den Spotmarkt

Es wird behauptet, der Spotmarkt sei flexibel, innovativ und “günstig”. Schließlich möchte jeder von einem günstigen Strompreis profitieren. Vor allem die weiter zunehmende Einspeisung von Photovoltaik und Windkraft gilt als großes Verkaufsargument für eine Spotmarktbeschaffung. Ich kann mich noch an Seminare aus dem Jahr 2008 erinnern. Zu dieser Zeit war der Spotmarkt in Verbindung mit smart-meter der kommende Game-Changer in der Energiewirtschaft.

Es werde bald nur noch flexible Tarife geben, hieß es. Die Menschen werden je nach Strompreis ihre Wäsche waschen, kochen, Batterien aufladen oder ihren Geschirrspüler laufen lassen. In naher Zukunft wird jeder Haushalt diese Art von Tarifen und Innovation nutzen. Industrieunternehmen werden ihre Produktionen nach dem Strompreis steuern und die Preise an den Strombörsen werden durch den Zubau von Erneuerbaren Energien günstiger werden.

15 Jahre später sind wir nicht immer noch nicht so weit, reden aber nach wie vor von den innovativen Modellen, die unseren Strom günstiger machen werden. Beim Verbraucher kommt allerdings bisher nichts davon an. Sehen wir uns das Thema doch einmal näher an, ob es wirklich so günstig und innovativ ist, wie einige Versorger werben.

Was ist der Strom-Spotmarkt?

Die Großhandelsmärkte für Strom sind in zwei Segmente aufgeteilt:

Den Terminmarkt der EEX (European Energy Exchange) und den Spotmarkt der EPEX (European Energy Exchange).

Am Terminmarkt werden längerfristige Kontrakte gehandelt mit einer Lieferung in der Zukunft. Am Spotmarkt (Kassamarkt) hingegen wird der kurzfristige Markt gehandelt. Das sind die sogenannten Day-Ahead Auktionen. Hier werden Strommengen gehandelt, die am nächsten Tag geliefert werden. Die viel diskutierte Merit-Order kommt hier zum Einsatz. Wie die Merit-Order funktioniert, erfahren sie hier.

Bei Intraday-Auktionen werden Strommengen gehandelt, die am selben Tag geliefert werden. Anders als bei Terminkontrakten, deren Erfüllung meist nur finanzieller Natur ist, steht beim Spothandel die physische Erfüllung im Vordergrund. Mehr über Termingeschäfte, wie man sie anwendet und wie ich persönlich Futures nutze, erfahren Sie in diesem Artikel.

Spotmarktbeschaffung

Wie funktioniert eine Spotmarktbeschaffung für Unternehmen? 

Bei der Spotmarktbeschaffung setzen Sie darauf, am Spotmarkt günstiger einzukaufen als im Voraus am Terminmarkt. Der Energiebedarf des Unternehmens wird nicht schon im Voraus über den Terminmarkt eingekauft.

Die Preisbildung am Spotmarkt richtet sich nach dem aktuellen Angebot und der aktuellen Nachfrage. Erzeuger und Nachfrager der Energie treffen hier aufeinander. Es ändern sich stündlich die Preise je nachdem wieviel Energie nachgefragt wird. In Zeiten von viel Wind- bzw. Photovoltaikeinspeisung bei gleichzeitig wenig Nachfrage, wie zum Beispiel an einem Wochenende, kann es negative Preise am Spotmarkt geben. Genauer Beschrieben in dem Artikel über die Merit-Order.

Das heißt, dass die Produzenten in dem Fall für die Abnahme ihrer Erzeugung in gewissen Stunden Geld bezahlen müssen. Abnehmer der Strommengen bekommen im Umkehrschluss Geld für ihren Stromverbrauch. In der Regel wird der Preis der EPEX Spot Stunden genau dem tatsächlichen Verbrauch (Lastgang) des Unternehmens gegenübergestellt und abgerechnet. Somit ist der Preis sehr transparent und kann gut nachvollzogen werden. Hinzu kommt nur noch der Service-Aufschlag des Energieversorgers

Den Preis, den ihr Unternehmen für die Energie gezahlt hat, erfahren Sie erst im Nachgang. Hier kann es positive wie auch negative Überraschungen geben.

100 % Spotbeschaffung: Strategie oder keine Strategie, das ist hier die Frage

Als erstes möchte ich auf die „Strategie“ einer 100 % Spotbeschaffung eingehen. Meiner Meinung nach kann man dabei nicht von einer Strategie sprechen. Eine Beschaffung von 100 % im Spotmarkt ist einfach mehr ein Hoffen und Bangen als eine Strategie. In manchen Jahren ist der Spot- gegenüber dem Terminmarkt billiger, in anderen nicht.

Viele neigen dazu, Ereignisse, die noch nicht so lange her sind, höher zu gewichten als Ereignisse die länger her sind. So war in den letzten Jahren vor 2021 der Spotmarkt etwas günstiger als der Terminmarkt. In dieser Zeit wurde sehr viel Werbung für reine Spotbeschaffungen gemacht.

Unkalkulierbares Risiko? 

Egal ob Versorger, die ihre Energiemengen zum Großteil am Spotmarkt einkaufen oder Unternehmen, die sich für diese Beschaffungsform zu 100 % entscheiden: Sie setzten auf fallende Strompreise (short) und auf eine fallende Volatilität an den Märkten.

Bitte beachten Sie, dass Märkte maximal um 100 % fallen können, aber theoretisch unendlich steigen. Das heißt Ihr Chance-Risiko-Verhältnis ist von Haus aus negativ, wenn Sie sich für eine 100 % Spoteindeckung entscheiden. Wie schon beschrieben, kann es in einzelnen Stunden auch zu negativen Preisen am Spotmarkt kommen. Diese haben eine Preisuntergrenze bei -500 €/MWh.

In Summe werden Sie allerdings immer für Ihren Energieverbrauch Geld bezahlen und nicht erhalten. Eine reine Spotmarktbeschaffung ist mit einer Shortposition gleichzusetzen. Das Shorten ist eine der Königsdisziplinen im Trading.

Behalten Sie immer Ihr Risiko im Auge

Egal, ob Sie Aktien, Anleihen, Währungen oder Rohstoffe shorten, Sie müssen Ihr Risiko im Griff haben. Das Risikomanagement ist der Schlüssel zum Erfolg. Und der schnellste Weg, um Ihr Konto platt zu machen ist, sich in die Hände des Zufalls zu begeben.

Häufig werden Terminmarkt und Spotmarkt so dargestellt:

Terminmarkt = böse und teuer                     

Spotmarkt = gut und günstig

Doch was ist der Terminmarkt eigentlich?

Der Terminmarkt spiegelt nichts anderes wider als den erwarteten Spotmarkt für das jeweilige Jahr. Jegliche am Markt verfügbare Informationen sind im Terminmarkt enthalten. Wenn sie wissen wollen, wie aktuell die Einschätzung für den Spotmarkt in 2026 ist, dann sehen sie sich den Future für 2026 an.

Nehmen wir an, neue Kraftwerke kommen in zwei Jahren ans Netz. Diese zusätzlichen Kapazitäten werden den Spotmarktpreis im Jahr der Fertigstellung beeinflussen. Die Informationen werden selbstverständlich auch in die Bepreisung des Strom-Terminmarktes einfließen. Bei anderen Rohstoffklassen wie Öl, Gas, Kupfer oder bei Nahrungsmitteln wie Mais, Soja, Kaffee, Zucker etc. gilt das gleiche Prinzip.

Weiterhin beeinträchtigen Preisentwicklungen anderer Brennstoffkosten für Kraftwerke, sowie Emissionszertifikate (EUAs) ebenfalls die Preise an den Strom Termin- und Spotmärkten. Ein schwacher Euro ist auch ein Preistreiber für die heimische Energie, denn die meisten Rohstoffe wie Kohle oder Öl werden in US-Dollar gehandelt. Wetter und Temperatur spielen selbstverständlich auch eine Rolle.

Viele verstehen den Zusammenhang zwischen Termin- und Spotmarkt nicht

Wie heißt der Terminmarkt im englischen so treffend? „Futures Market“, also „zukünftige Märkte“. Nichts anderes ist der Terminmarkt, der erwartete Markt in der Zukunft.

Ich lese oft Dinge wie: „Profitieren Sie vom günstigen Spotmarkt“. Eine Aussage, die irreführend ist und suggeriert, alles andere sei teuer. Solche Slogans lese ich sogar bei großen Energieversorgern und einige Energieberater empfehlen eine reine Spotbeschaffung.

Weiteres Kopfschütteln lösen bei mir Preisvergleiche von dem aktuellen Spotmarktpreis und dem Terminpreis für das nächstes Jahr aus. Hier vergleicht man Äpfel mit Birnen und täuscht bewusst, unbewusst oder aus mangelndem Marktverständnis den Endkunden. Wenn jemand vergleichen will, dann sollte auch der passende Terminmarktfuture zum Vergleich genommen werden.

Manchmal würde ich mir eine Art „Zulassungsprüfung“ für Beratungen, die Börsengehandelte Produkte betreffen, wünschen. Eine Aufklärung der Risiken sollte wie in der Finanzbranche üblich, vollumfänglich stattfinden, bevor ein Kunde sich für ein Beschaffungsmodell entscheidet.

Ein Pulverfass?

Der Spotmarkt ist hoch volatil und unvorhergesehene Ereignisse können den Preis sehr schnell nach oben treiben. Im Optionshandel gibt es für risikoreiche Strategien wie das Verkaufen von ungedeckten Optionen (short options) ein Sprichwort: „Picking up pennies in front of a steamroller“, was so viel heißt wie: „Pfennige vor einer Dampfwalze aufheben“. Das kann lange Zeit gutgehen, aber sobald es nicht mehr gut geht, ist man platt.

Wir haben letztes Jahr gesehen, wie der Ukraine-Krieg die Spotpreise explodieren ließ. Kunden & Versorger, die einen sehr hohen Spotbezug hatten, konnten sich weder mit Stopps noch mit anderen Produkten absichern. Sie waren dem Markt zu 100 % ausgeliefert.

Die Kosten am Spotmarkt waren im Durchschnitt in den Jahren 2021 mehr als 250 % höher und 2022 mehr als 200 %höher, als hätte man sich auf dem Terminmarkt im Jahr vorher abgesichert.

In den Jahren als der Spotmarkt niedriger gewesen wäre, hätte man niemals auch nur annähernd eine Ersparnis erzielen können, die das Risiko der reinen Spotbeschaffung gerechtfertigt hätte.

Warum der Spotmarkt in den letzten Jahren so beliebt geworden ist

Aus meiner Sicht sind diese Modelle deswegen bei Versorgern so beliebt, da Versorger bei dieser Art von Energiebeschaffung so gut wie kein Risiko haben. Weder tragen Versorger ein Preisrisiko, das sie absichern müssen, noch ein Mengenrisiko. Eine einfache, fast schon risikolose Sache für den Energieversorger.

Dem Kunden kann man diese Beschaffungsart auch sehr einfach verkaufen. Das häufigste Argument ist, dass durch den Zubau der erneuerbaren Energien die Preise am Spotmarkt, vor allem in den Peak Stunden, immer niedriger werden. Wie im Beispiel der negativen Spotmarktpreise etwas weiter oben erklärt.

Was hier einleuchtend klingt, ist was die Einflussfaktoren von Spot- und Terminmarkt angeht um einiges komplexer. Weiterhin wird mit der Kostentransparenz geworben und dass es keine Risikoaufschläge von Versorgern gibt. Das stimmt auch. Allerdings sind die Risiken jetzt nicht einfach verschwunden. Die Risiken trägt nur ein anderer, und zwar Sie als Unternehmen.

Tragödie und Hoffnung – die Risiken des Spotmarktes

Mir ist es wichtig auf die Risiken des Spotmarktes im Strom hinzuweisen. Tragischerweise sind einige Versorger und Unternehmen während den massiven Preissteigerungen vor-, während und nach dem Ukraine-Krieg massiv in finanzielle Schwierigkeiten geraten oder mussten den Betrieb einstellen.

Viele davon hatten einen großen Spotmarktanteil in ihrem Portfolio. Hinzu kommen noch etliche Denk- und Verhaltensfehler beim aktiven Managen der Risiken. Ich habe oft Sätze gehört wie: „Das fällt schon wieder“, „Das ist nur eine kurzfristige Übertreibung“ oder „Wir sitzen das aus“.

Rechtfertigt jemand seine Investments oder seine Strategie mit solchen Sätzen, dann ist sein Portfolio bereits unter Wasser. Das Einzige, was bleibt ist die Hoffnung auf eine Beruhigung der Preise. „Die Märkte können länger irrational sein als man selbst liquide.“ So lautet eine alte Börsenweisheit.

Warum der Spotmarkt trotzdem Sinnvoll ist.

Ich habe nun ausführlich auf die Gefahren des Spotmarktes hingewiesen und möchte jedoch nun zu den Vorteilen des Spotmarktes kommen und warum er für viele Unternehmen als Beimischung zu ihren Verträgen eine gute Sache ist.

Meine Kritik bezieht sich hauptsächlich auf eine reine Spotmarktbeschaffung oder einen extrem hohen Anteil der Spotmarktbeschaffung. Die Vorteile und die Entwicklungen des Spotmarktes sollten auf jeden Fall in der Beimischung zu anderen Strom Einkaufsstrategien eine Überlegung wert sein. Bei dem Portfoliomanagement ist der Spotmarkt nicht wegzudenken und ein wichtiges Mittel zur Optimierung des Stromeinkaufs.

Mischformen von Tranchen- und Spotverträgen sind durchaus sinnvoll 

Als Beimischung zu einem Tranchenvertrag kann sich eine Teilmenge auf Spotmarkt laufen zu lassen lohnen.

Nehmen wir an, Sie lassen 20 % Ihrer Mengen in den Spotmarkt laufen und 80 % sichern Sie im Vorfeld durch Tranchenbeschaffungen ab. Ihre Chancen und Risiken auf dem Spotmarkt betreffen jetzt nur noch 20 % Ihrer Gesamtmenge. Sie können am Spotmarkt durch evtl. niedrigere Preise profitieren und Ihr Marktpreisrisiko am Spotmarkt ist einigermaßen überschaubar.

Darauf sollten Sie achten

Bei der Beurteilung, ob man in den Spotmarkt geht und wenn ja mit wieviel Menge, hängt von der aktuellen Marktphase und dem persönlichen Risikoprofil ab.

Auch kommt es auf den Lastverlauf Ihres Unternehmens an. Verbrauchen Sie am meisten in den Peak Zeiten oder Off-Peak-Zeiten? Der Spotmarkt kann noch für eine Reihe von Bedürfnissen von Unternehmen sinnvoll sein und eine benötigte Flexibilität bereitstellen. Insbesondere beim Spotmarkt gilt, schließen Sie nur Verträge ab die Sie auch zu 100 % verstehen und holen Sie sich zur Not eine zweite Meinung ein.

Vorteile der Spotmarktbeschaffung

  • Transparenz der Kosten
  • Geringe Risikoaufschläge der Versorger
  • Kann durch den Ausbau erneuerbare Energien in bestimmten Stunden preisdrückend wirken
  • Mehr- oder Minderverbräuche spielen keine Rolle (stundengenaue Abrechnung)
  • Sinnvoll in Verbindung mit Tranchenverträgen und Portfoliomanagement

Nachteile der Spotmarktbeschaffung

  • Hoch volatiler Markt
  • Keine Risikobegrenzung
  • Kein Wechsel in ein anderes Beschaffungsmodell möglich
  • Tatsächlicher Strompreis steht erst nach der Belieferung fest
  • Auf Veränderungen im Markt kann nicht reagiert werden.
  • 100 % Spotbeschaffung = nahezu unbegrenztes Preisrisiko bei begrenzten Chancen

Sie möchten ein wirklich für Ihr Unternehmen geeignetes Beschaffungsmodell finden?

Dann lassen Sie uns gerne darüber sprechen. Mit meinem Wissen aus über 23 Jahren als Portfoliomanager bei einem Energieversorger war ich mittendrin statt nur dabei. Deshalb finde ich garantiert ein Modell, das genau zu Ihren Bedürfnissen passt, um Ihre Energiekosten zu optimieren.

Hier können Sie sich gerne melden, um das kostenlose Strategiegespräch zu vereinbaren.

Ich freue mich darauf, Sie und Ihr Unternehmen kennenzulernen.

 

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Michael K