Base und Peak

Wie wird eigentlich der Strompreis kalkuliert?

In diesem Beitrag möchte ich in Grundzügen erklären, wie ein Energieversorger den Netto-Strompreis für einen Kunden kalkuliert. Das heißt ohne Vertriebszuschläge, Netzentgelte, Steuern, Umlage und Abgaben.

Das Beispiel werde ich anhand des Terminmarktes machen und ein paar Grundlagen dazu erklären.

 

RLM – Die Leistungsmessung

Zuerst ist es wichtig, zwei Zählerarten zu verstehen, und zwar:

  • RLM (registrierende Leistungsmessung)
  • SLP (Standard-Lastprofil):

 

Bei einem RLM-Zähler erfasst der Zähler den Mittelwert der abgenommenen Leistung in einer bestimmten Messperiode. Die Messperiode entspricht 15 Minuten.

Diese Zähler können die verbrauchte Arbeit (kWh) und die Leistung messen (kW).

Lastgang

 

Ab einem Verbrauch von 100.000 kWh pro Jahr sind RLM-Zähler gesetzlich verpflichtend. Die erfassten Leistungswerte je 15 Minuten werden an den Netzbetreiber übermittelt und dieser gibt die Daten weiter an den jeweiligen Energielieferanten. Ein Tag mit 24 Stunden hat somit 96 Viertelstundenwerte. Die Zusammenreihung diese Viertelstundenwerte ergibt dann ein Lastprofil bzw. den Lastgang (LG). Die Abrechnung des Energieverbrauchs kann somit exakt ermittelt werden. Netzbetreiber, Versorger und Kunde erhalten einen detaillierten Überblick der Verbrauchsstruktur des Abnehmers.

Lastprofil

 

SLP – Das Standardlastprofil

Bei dem SLP-Zähler werden die Verbrauchsdaten nicht automatisch an den Netzbetreiber übermittelt. SLP-Zähler werden bei Verbräuchen unter 100.000 kWh pro Jahr verwendet. Meist folgt die Ablesung 1 x im Jahr durch den Kunden oder den Netzbetreiber bzw. Messstellenbetreiber. Ab einem Verbrauch von 6.000 kWh kommen mittlerweile „smart-meter“ zum Einsatz. Das sind Zähler, die ebenfalls aktuelle Verbrauchsdaten an den jeweiligen Netzbetreiber bzw. Messtellenbetreiber schicken.

Die monatliche Abrechnung bei herkömmlichen Zählerarten erfolgt aufgrund einer Schätzung des Verbrauchs. Verbraucht man mehr oder weniger innerhalb des nächsten Jahres, wird der monatliche Abschlag angepasst und entweder gibt es eine Nach- oder Rückzahlung.

Um bei Kunden mit herkömmlichen Stromzählern das Verbrauchsverhalten abschätzen zu können, werden Standardlastprofile genutzt. Diese sind nichts anderes als durchschnittliche Lastprofile für bestimmte Kundengruppen wie Haushalt, Gewerbe oder Landwirtschaft.

Die Standardlastprofile

Diese Lastprofile wurden 1999 von der BTU Cottbus in Zusammenarbeit mit dem VDEW (heute BDEW) entwickelt.

So gibt es zum Beispiel ein Haushaltsprofil (H0) sowie verschiedenen Gewerbeprofile (G0 – G7). Ein „G1“ zum Beispiel ist ein Profil, das ein Gewerbe werktags von 8 – 18 Uhr abbildet und ein „G5“ ein Profil für eine Bäckerei mit Backstube.

Standardlastprofile
Datenquelle: BDEW

 

Die Netzfrequenz – ein fragiles Gleichgewicht

Stromerzeugung und Stromverbrauch müssen zu jeder Zeit im Gleichgewicht sein, um die Netzfrequenz von 50 Hertz stabil zu halten. Bei zu viel Erzeugung im Netz steigt die Frequenz und bei zu wenig sinkt sie. Kann die Netzfrequenz nicht gehalten werden, ist die Netzstabilität gefährdet und es kann zu Stromausfällen kommen.

Genaue Verbrauchsprofile und deren genaue Schätzungen spielen eine große Rolle bei den viertelstundengenauen Prognosen des Stromverbrauchs. Diese dienen nicht nur zur Vermeidung von Regelenergie, sondern spielen eine erhebliche Rolle bei der Kraftwerkseinsatzplanung.

Was ist die Regelenergie?

Die Regelenergie gleicht physische Differenzen im Stromnetz aus und stabilisiert die Netzfrequenz. Sie gleicht unvorhergesehene Schwankungen im Netz aus. Das geschieht durch Zuführung von Energie, sogenannter positiver Regelenergie oder Entnahme von Energie, negativer Regelenergie.

Das passiert in 3 Stufen:

  • Primärregelenergie: zur schnellen Stabilisierung des Netzes innerhalb von 30 Sekunden.
  • Sekundärregelenergie: muss innerhalb von 5 Minuten in voller Leistung zur Verfügung stehen.
  • Minutenreserve: löst die Sekundärregelenergie ab. Und muss für mind. 15 Minuten in voller Leistung zur Verfügung stehen.

Was bedeutet Ausgleichsenergie?

Die Kosten für die Regelenergie werden auf die Markteilnehmer umgelegt, die sogenannte Ausgleichsenergie.

Sehen wir uns ein Beispiel an:

Ein Stromlieferant hat einen „Bilanzkreis“, in dem alle Kunden, die er versorgt, Bilanziert werden. Das bedeutet, der Stromlieferant summiert alle Kunden in seinem Bilanzkreis und erstellt für jede Viertelstunde am Tag eine Verbrauchsprognose. Das nennt man einen Fahrplan. Er muss hier eine Reihe von Einflussfaktoren beachten. Zum Beispiel, Wochentage, Brückentage, Ferien, Wetter, Verkaufsoffene Sonntage, Produktionsänderungen von Kunden und so weiter.

Dieser Fahrplan wird täglich bis 14:30 für den nächsten Tag an den Übertragungsnetzbetreiber geschickt. Das einzige was bei einer Prognose sicher ist, ist dass sie genauso nicht eintreffen wird. Somit gibt es in fast jeder Viertelstunde eine Abweichung zum tatsächlichen Verbrauch.

Diese Abweichung der Prognose zum Ist-Verbrauch kann Geld kosten oder Geld bringen. Das hängt vom Gesamtsaldo der Regelenergie in Deutschland je Viertelstunde ab. Da es ganz viele Bilanzkreise gibt in Deutschland, kann es in Summe sein, dass der eine zu viel und ein anderer zu wenig eingespeist hat. Somit gleichen sich mancher Effekt einfach aus. Die Prognosen sollten so genau wie möglich sein, da man nie vorhersagen kann, ob man für die Abweichungen bezahlen muss oder eine Vergütung bekommt.

In der Grafik sehen wir eine hypothetische Prognose gegenüber dem Ist-Verbrauch. Jede Abweichung pro 15 Minuten kann Kosten oder Erträge verursachen.

Über- oder Unterspeisung

 

Die europäische Energiebörse EEX mit Sitz in Leipzig

Da wir nun wissen, was Last- und Standardlastprofile sind, können uns wir uns der Börse widmen.

Es gibt noch andere Arten Strom zu beschaffen zum Beispiel OTC (over the counter), aber wir sehen uns hier den klassischen Future an. An der EEX (European Energy Exchange) werden die Futures gehandelt, die für die Kalkulation eines Strompreises wichtig sind. Die sogenannten Standardhandelsprodukte für ein Kalenderjahr „Base“ und „Peak“ Power Futures sind hierbei am wichtigsten. Vielleicht ahnt jetzt jemand woher der Name meiner Webseite peakpower-energy.com kommt 😉

Mehr über Termingeschäfte, wie man sie anwendet und wie ich persönlich diese nutze, erfahren Sie in diesem Artikel.

Die maßgeblichen Börsenprodukte

Die Produkte können zum Beispiel Jahres-, Quartals- oder Monats-Futures sein.

Sehen wir uns die Spezifikationen des Jahresfuture einmal ein.

Baseload Power: 

  • Grundlast über 24 Stunden an jedem Tag
  • Kleinste handelbare Menge 1 MW pro Stunde
  • 8.760 Stunden im Jahr (Schaltjahr 8.784 Stunden)
  • Entspricht einer Menge von 1 MW * 8.760 Std. = 8.760 MWh (8.760.000 kWh/a)
  • Bei Quartals- und Monatsprodukten sind die Base Stunden entsprechend weniger. Die Einheit von 1 MW bleibt jedoch gleich.

Peakload Power: 

  • Spitzenlast von 8 Uhr bis 20 Uhr an einem Werktag
  • Kleinste handelbare Menge 1 MW pro Stunde
  • 3.132 Stunden im Jahr (Schaltjahr 3.144 Stunden)
  • Entspricht einer Menge von 1 MW * 3.132 Std. = 3.132 MWh (3.132.000 kWh/a)
  • Bei Quartals- und Monatsprodukten sind die Peak Stunden entsprechend weniger. Die Einheit von 1 MW bleibt jedoch gleich.

 

 

Base und Peak
Base Stunden und Peak Stunden

Connecting the dots – verbinden wir nun die Punkte

Wir haben nun Verbrauchsprofile und Börsenprodukte besprochen. Kommen wir jetzt zum Punkt. Wenn ein Versorger für eine Kundengruppe oder ein Unternehmen einen Strompreis kalkuliert, so ist die Grundlage dafür der Lastgang bzw. das Lastprofil. Zuerst wird das Profil für das jeweilige Lieferjahr prognostiziert.

Zum Beispiel wird der Lastgang aus dem Jahr 2022 für das Jahr 2024 ausgerollt bzw. prognostiziert. In jedem Jahr verändern sich zum Vorjahr die Wochen- und Feiertage, Ferienzeiten etc. auf andere Kalendertage. Diese Veränderungen müssen berücksichtigt werden, um das Profil richtig zu bepreisen. Insbesondere bei Industrieunternehmen kommen noch andere Faktoren dazu die den Lastverlauf in der Zukunft verändern könnten. Diese Faktoren müssen, soweit bekannt, in die Prognose mit aufgenommen werden.

Das sind Faktoren wie:

  • Konjunkturelle Erwartungen
  • Produktionsveränderungen (wie Schichtänderungen)
  • Energieeffizienzmaßnahmen
  • geplante Installation von PV-Anlagen
  • Wartungen, Betriebsferien, Zubauten etc.

Die Zerlegung des Profils

Anschließend wird der Lastgang in einen Base und einen Peak- (bzw. in Peak/Off-Peak) Anteil zerlegt. „Off-Peak“ nennt man alle Stunden außerhalb der Peakzeiten. Die sogenannte Zerlegung des Lastgangs erfolgt zunächst in Jahresprodukten. Je näher es zum Lieferbeginn kommt, umso kleinteiligere Produkte können dafür verwendet werden, wie z. B. Quartals- oder Monatsprodukte.

Wie das Befüllen einer Last mit Standardhandelsprodukten aussehen kann, gibt es anhand einer Beispielgrafik in diesem Artikel: Energiebeschaffung über ein firmeninternes Portfoliomanagement

Die Lastgang bzw. das Lastprofil bestimmt den Strompreis

Nun erhält der Versorger ein bestimmtes Base- und Peak-Verhältnis.

Nehmen wir an: 80 % Base Anteil und 20 % Peak Anteil.

Die Preisformel für den Preis pro kWh würde nun ganz einfach so aussehen:

Basefaktor 0,8 * Preis Baseload + Peakfaktor 0,2 * Preis Peakload 

Vertriebszuschläge, Netzentgelte, Steuern, Umlage und Abgaben, würden dann im Anschluss dazu addiert werden.

Je mehr Grundlast (Base) der Kunde bei der Zerlegung hat, umso günstiger ist sein Energiepreis. Kunden mit hohem Peak Anteil haben im Umkehrschluss einen höheren Strompreis zu zahlen. Denn der Preis für Peak ist aufgrund der erhöhten Nachfrage in diesen Stunden höher als der für Base. Eine Bäckerei, die hauptsächlich in der Nacht produziert, hat somit auch einen günstigeren kWh-Preis, als ein Einzelhandelsgeschäft, das hauptsächlich in den Peak Stunden Strom verbraucht. Ein Industrieunternehmen mit Drei- oder Vierschichtbetrieb, wird ebenfalls einen besseren Strompreis erhalten als ein Unternehmen, das nur Tagsüber produziert.

Das Wichtigste zu verstehen ist, dass das Verbrauchsprofil den Strompreis bestimmt

Wir kennen nun Base, Peak und Off-Peak. Schauen wir uns mal ein paar Beispiele an mit dem Wissen – je mehr Verbrauch in Peak-Stunden, umso höher der Strompreis:

 

 

 

 

Lastgang mit Wochenendverbrauch

Lastgang mit Verbrauch von Montag-Freitag

Lastgang mit Off-Peak Verbrauch

Lastverlauf mit Samstag

 

Nun haben Sie einige Informationen bekommen, wie sich der Strompreis berechnet. Wie Se sehen fließen einige Informationen in die Bepreisung von Verbrauchern mit ein. Hinzu kommen im Anschluß noch die gängigen Netzentgelte, Vertriebskosten, Steuern und Abgaben. Genaueres zu Strombeschaffungsstrategien und wie sich die Strombörse auf Ihren Strompreis auswirkt, erfahren Sie in diesem Artikel:

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Mit meiner Erfahrung aus über 23 Jahren bei einem Energieversorger helfe ich Ihnen dabei, Ihre Energiebeschaffung zu optimieren. Ich begleite Sie von der Idee bis zur Umsetzung, damit Sie mit einer geeigneten Beschaffungsstrategie Ihre Energiekosten minimieren.

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Michael K