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Populismus im Aufstieg – Warum die derzeitigen Entwicklungen nicht verwundern

Populismus – eine historische Analyse und 3 Werke im Fokus.

Nach der Europawahl war die Verwunderung bei manchen groß, dass die „Rechten“ europaweit so viele Stimmen sammeln konnten. Der Populismus wird immer stärker heißt es. Im Allgemeinen wundert mich Populismus nicht, egal ob er von Links oder Rechts kommt.

Es handelt es sich um eine wiederkehrende Bewegung, die in Zeiten wirtschaftlicher Not und politischer Instabilität an Bedeutung gewinnt. 2018 bin ich auf ein Research Paper von Bridgewater Associates gestoßen. Diesen findet man hier: Bridgewater

Das Dokument befasst sich mit dem Phänomen des Populismus, seinen Ursachen, Merkmalen und Auswirkungen. Populismus entsteht typischerweise, wenn die einfache Bevölkerung mit Wohlstands- und Chancenungleichheit, wahrgenommenen kulturellen Bedrohungen, etablierten Eliten und ineffektiver Regierung unzufrieden ist.

Diese Faktoren führen zu einer breiten Unterstützung für Führer, die versprechen, die Interessen des “gemeinen Volkes” gegen die “korrupten Eliten” zu verteidigen. Populistische Führer sind oft konfrontativ und neigen dazu, die Gesellschaft in Freund-Feind-Kategorien zu unterteilen, was zu inneren Spannungen und Konflikten mit anderen Ländern führen kann.

Doch nicht nur wirtschaftliche Entwicklungen führen zu Populismus, sondern auch zyklische Entwicklungen:

So kommen mir immer zwei Bücher in den letzten Jahren verstärkt in Erinnerung:

Der Untergang des Abendlandes“ von Oswald Spengler (1918 & 1922) und

„The Fourth Turning: An American Prophecy “ von Neil Howe und William Strauss. (1997)

Ich möchte hier versuchen diese Bücher im Kern zusammenzufassen, auch wenn das äußerst schwierig ist in Anbetracht der Komplexität der Werke.

The Fourth Turning: Sie verwenden eine soziologische und generationenbasierte Perspektive. Ihr Modell basiert auf der Abfolge von vier generationalen Archetypen und den damit verbundenen historischen Zyklen (Turnings).

Hier ist eine kurze Zusammenfassung der vier Turnings:

  1. High (Hochphase): Eine Zeit des Aufbruchs und Optimismus nach einer überstandenen Krise, geprägt von starken Institutionen und einem ausgeprägten Gemeinschaftsgefühl. Individuelle Interessen treten zugunsten kollektiver Ziele in den Hintergrund.
  2. Awakening (Erwachen): Eine Phase des sozialen und kulturellen Wandels, in der die etablierte Ordnung von einer neuen Generation hinterfragt und herausgefordert wird. Spirituelle Erneuerung, Individualismus und der Wunsch nach persönlicher Erfüllung prägen diese Zeit.
  3. Unraveling (Zerfall): Ein allmählicher Zerfall der institutionellen Strukturen und Stärken des Individualismus kennzeichnen diese Phase. Soziale Polarisierung, kulturelle Fragmentierung und politische Stagnation nehmen zu, während das Gemeinschaftsgefühl schwindet.
  4. Crisis (Krise): Eine existenzielle Bedrohung zwingt die Gesellschaft zur Neuordnung und zum Zusammenschluss. Schmerzhafter Wandel, starke Führung und hohe Opferbereitschaft prägen diese Phase, an deren Ende eine Erneuerung der Institutionen und Werte steht.

Nun möchte ich mir die Turnings Nummer 3 und 4 genauer ansehen, denn ich denke, dass wir uns entweder schon in dem Vierten befinden oder im Übergang von 3 auf 4 sind.

3. Unraveling / Zerfall

Die dritte Phase im zyklischen Modell von Strauss und Howe ist geprägt von:

  • einem schleichenden Zerfall der gesellschaftlichen Institutionen
  • einem Stärken des Individualismus
  • schwindendem Vertrauen in Regierungen, Unternehmen und religiöse Organisationen, da sie zunehmend als ineffektiv, korrupt oder irrelevant wahrgenommen werden

In dieser Zeit rücken in den Vordergrund:

  • persönliche Freiheit
  • Selbstverwirklichung
  • individuelle Rechte, während kollektive Ziele und gemeinschaftliches Handeln an Bedeutung verlieren.

Weitere Merkmale des Zerfall sind:

  • kulturelle Fragmentierung und zunehmende Polarisierung der Gesellschaft
  • Entwicklung konträrer Werte und Lebensstile in verschiedenen Gruppen, was zu wachsenden sozialen Spannungen und Konflikten führt
  • Verschärfung der wirtschaftlichen Ungleichheit, da der Fokus auf individuelle Erfolge und persönliche Bereicherung liegt
  • Erosion sozialer Sicherheitsnetze und gemeinschaftlicher Unterstützungssysteme
  • Dominanz von Eigeninteresse statt Gemeinschaftsgefühl
  • politische Stagnation durch gegensätzliche Ansichten und Ziele, die eine effektive Problemlösung erschweren

4. Crisis / Krise

Die vierte Phase im zyklischen Modell von Strauss und Howe, die „Krise“, ist geprägt von:

  • einer existenziellen Bedrohung, die die Gesellschaft zwingt, sich neu zu ordnen und zusammenzuschließen
  • tiefgreifenden Reformen oder der Ersetzung alter, dysfunktionaler Institutionen durch neue, die den Herausforderungen der Zeit besser gewachsen sind
  • dem Aufkommen starker, autoritärer Führungspersönlichkeiten, die das Ruder übernehmen, um das Schiff durch den Sturm zu steuern

In dieser Zeit treten in den Hintergrund:

  • individuelle Interessen und Bedürfnisse
  • das Streben nach persönlicher Freiheit und Selbstverwirklichung
  • der Fokus auf Eigennutz und Bereicherung. Stattdessen rücken das kollektive Überleben und Wohlergehen in den Vordergrund

Weitere Merkmale der Krise sind:

  • ein Höchstmaß an Kooperation und Opferbereitschaft, da nur gemeinsam die Bedrohung überwunden werden kann
  • eine Zurückstellung von Differenzen und Konflikten zugunsten der Einheit und Handlungsfähigkeit
  • schmerzhafte, aber unumgängliche Veränderungen in sozialen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen
  • eine Neuausrichtung von Werten und Prioritäten, die sich an den Erfordernissen der Krisenbewältigung orientiert
  • ein gesteigertes Gemeinschaftsgefühl und eine erneuerte Verbundenheit durch geteilte Herausforderungen und Entbehrungen

Ende der Krise und Beginn eines neuen Zyklus.


 

Der Untergang des Abendlandes

Kommen wir nun kurz zu Oswald Spengler und „Der Untergang des Abendlandes“, eines der wohl dicksten Bücher, das ich je gelesen habe.

Er verwendet eine metaphysische und kulturphilosophische Perspektive, um die Geschichte zu erklären. Er betrachtet Kulturen als organische Wesen mit einem festen Lebenszyklus, der Geburt, Blüte und Tod umfasst.

Man könnte sagen, Spengler sieht 3 Turnings. Jede Kultur hat ihren eigenen, einzigartigen Verlauf und Zeitrahmen.

  1. Die Entstehungs- und Wachstumsphase (Vorkultur und Kultur)
  2. Die Blütezeit (Hochkultur)
  3. Die Phase des Verfalls und Untergangs (Zivilisation und Untergang)

Sehen wir uns die dritte Phase des Verfalls an:

Auf dem Höhepunkt ihrer Macht trägt die Kultur bereits die Samen ihres Verfalls in sich.

Die Zivilisation als erstarrte, seelenlose Form der Kultur ist geprägt von:

  • einer Vorherrschaft von Technik, Wirtschaft und Politik über Kunst und Philosophie
  • einem Verlust an schöpferischer Kraft und spiritueller Tiefe
  • einer zunehmenden Rationalisierung, Mechanisierung und Vermassung des Lebens
  • innerer Zerrissenheit, Wertezerfall und einem Gefühl der Sinnlosigkeit und Entwurzelung

Der Untergang der Kultur ist für Spengler ein unausweichliches Schicksal. Am Ende steht die Auflösung der kulturellen Identität, oft begleitet von Kriegen, Revolutionen und dem Triumph primitiver Lebensformen über die müde gewordene Zivilisation.

Ich sehe starke parallelen in der jetzigen Zeit zu dem Paper von Bridgewater, sowie den zwei Werken von Spengler und Howe & Strauss.

Müssen wir jetzt alle Angst haben, dass die Welt untergeht?

„Angst ist ein schlechter Ratgeber“

lautet ein Spruch an der Börse. So ist es auch im restlichen Leben. Man sollte sich bewusst sein in welche Zeiten man lebt und manchmal ist es der Lauf der Dinge der die Geschichte sich wiederholen lässt.

Das Suchen der Schuldigen als Partei oder Personen ist völlig sinnlos, denn eine Partei oder eine Person ist nicht schuld an solchen tiefgreifenden Entwicklungen. Es sind Ereignisse die schon vor vielen Jahren oder Jahrzenten stattgefunden haben, die unsere heutige Gesellschafft prägen und zu diesen Entwicklungen führen.

Es gilt das Schlimmste zu verhindern und die „Krise“ so schnell wie möglich zu meistern, um anschließend wieder in gute Zeiten übergehen zu können.

Vielleicht fragen Sie sich jetzt, warum ich über solche Themen schreibe und was Geschichte und das Ganze mit meiner Tätigkeit als Börsenhändler und Berater zu tun hat.

Ganz einfach: erstens, weil mich Geschichte schon immer fasziniert hat und zweitens, weil das Wissen meine Investment- und Strategieentscheidungen beeinflusst:

  • Langfristige Perspektive: Blick auf historische Zyklen und geopolitische Trends
  • Risikoeinschätzung: Sensibilisierung für systemische Risiken und Verwerfungen
  • Chancenidentifikation: Frühzeitiges Erkennen vielversprechender Sektoren, Regionen oder Assetklassen
  • Gerade im Energiesektor haben geopolitische Ereignisse oft direkte Auswirkungen auf Preise und Versorgungssicherheit. Krisen, Konflikte oder Regimewechsel in Schlüsselregionen können die Märkte nachhaltig beeinflussen. Ein Verständnis dieser Zusammenhänge verschafft einen Wettbewerbsvorteil.
  • Vernetztes Verständnis von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft
  • Szenarioplanung: Entwicklung robuster Strategien für unterschiedliche Zukunftsszenarien
  • Ergänzung klassischer Analysemethoden um „Big Picture“-Denken für fundierte Entscheidungen in unsicheren Zeiten

 

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